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- Ego Depletion - eine selbsterfüllende Prophezeiung? Folgerungen für Manager und Professionals
Contents
- Klassische Forschungsergebnisse der Ego-Depletion: Ego-Depletion als Folge anspruchsvoller Aufgaben
- Welche Implikationen folgen aus dem klassischen Verständnis von Ego-Depletion für Manager & Professionals?
- Neue Forschungsergebnisse: Glauben an Ego-Depletion führt zu Ego-Depletion
- Welche Implikationen folgen aus den neueren Forschungsergebnissen?
Die Erkenntnisse der Ego-Depletion-Forschung sind mittlerweile in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen und hatten bereits einen großen Einfluss darauf wie Durchschnittsbürgern ihre eigene Arbeitsmoral auffassen. Allgemeinverständliche Bücher wie „Anleitung zur Unzufriedenheit” habe Laien den Eindruck vermittelt, dass es sich bei Willenskraft tatsächlich um eine endliche Ressource handelt (Schwarz & Ward, 2004). Forschungsergebnisse aus dem letzten Jahrzehnt deuten jedoch darauf hin, dass es deutlich komplexer ist als bisher angenommen. Dieser Blog fasst zunächst die „klassische“ Forschung zum Thema Ego-Depletion zusammen und bespricht anschließend neuere Erkenntnisse, die drauf hindeuten, dass die Willenskraft deutlich verstärkt werden kann, wenn man an ihre Unbegrenztheit glaubt.
Klassische Forschungsergebnisse der Ego-Depletion: Ego-Depletion als Folge anspruchsvoller Aufgaben
Ego-Depletion beschreibt die Ermüdung der menschlichen Selbstkontrolle und Willenskraft. Jemand wird als „ego depleted“ (selbsterschöpft) bezeichnet, wenn er nicht mehr in der Lage ist umsichtige und gut überlegte Entscheidungen zu treffen oder wenn er unerwünschte Verhaltensweisen nicht mehr kontrollieren kann (Glücksspiel, übermäßiger Alkoholkonsum, Wutausbrüche). Über viele Jahrzehnte demonstrierten die Forschungsarbeiten von Psychologen wie die Willenskraft und Selbstkontrolle von Personen ermüdet nachdem sie besonders anspruchsvolle Aufgaben, wie beispielsweise das Ablehnen von begehrenswerten Angeboten, das Ignorieren von Ablenkungen oder langweilige und ermüdende Tätigkeiten durchgeführt hatten (Baumeister & Vohs, 2007).
Roy Baumeister ist Begründer der psychologischen Ego-Depletion-Forschung. Im Jahr 1998 hat er zusammen mit mehreren Kooperationspartnern die Effekte der Ego-Depletion experimentell erforscht (Baumeister et al, 1998). Den Testpersonen wurden Radieschen und Schokolade vorgelegt, ihnen wurde jedoch gesagt, dass sie nur die Radieschen essen dürfen. Nachdem die Testpersonen dem Drang widerstanden die Schokolade zu essen, schnitten sie schlechter bei einem anschließenden komplizierten Puzzle ab, das eine Portion Durchhaltevermögen zum erfolgreichen lösen benötigte. Im Gegensatz dazu zeigten Teilnehmer, welche die Erlaubnis hatten die Schokolade zu essen, keine Verminderung ihrer Fähigkeiten das Puzzle zu lösen.
Die Forscher schussfolgerten daher, dass beim Widerstehen der Verlockung Willenskraft verbraucht wird und dass das wiederholte Einsetzen von Willenskraft dazu führt, dass einer Person weniger Energie für künftige anspruchsvolle Aufgaben zur Verfügung steht (Baumeister et al, 1998). Baumeister und seine Kollegen fanden anschließend verschiedene Auswirkungen der Ego-Depletion in unterschiedlichen Bereichen, unter anderem auch im beruflichen Zusammenhang. In der Zwischenzeit führte der Psychologe Barry Schwarz seine eigenen Forschungsarbeiten durch, die darauf hindeuteten, dass die Fähigkeit von Menschen ihre Willenskraft und Vernunft einzusetzen mit der Zeit ermüdet, wenn sie eine Vielzahl unterschiedlicher und komplizierter Entscheidungen treffen müssen. Nach einiger Zeit werden ihre Entscheidungen impulsiv oder unbefriedigend. Er nannte dies „The paradox of choice“ („das Auswahlparadox“).
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Welche Implikationen folgen aus dem klassischen Verständnis von Ego-Depletion für Manager & Professionals?
Die klassische Ego-Depletion-Forschung liefert viele nützliche Implikationen für Manager und Vorgesetzte. Diese Forschungsarbeiten zeigen, dass das Überstrapazieren der Selbstbeherrschung und Willensstärke von Mitarbeitern schwerwiegende negative Folgen haben kann. So kann es vorkommen, dass ein Mitarbeiter, von dem erwartet wird, dass er über einen längeren Zeitraum ohne ausgleichende Ablenkungen arbeitet und sich selbst managed, einbrechen und künftig sowohl weniger zuverlässig als auch weniger fleißig arbeiten (Moller et al, 2006).
Die Fachliteratur deutet auch darauf hin, dass Mitarbeiter, die sich gleichzeitig anderweitig Einschränken (z.B. durch eine Diät) möglicherweise dadurch ihre Fähigkeit zur Selbstkontrolle in anderen Bereich ihres Lebens verringern (Baumeister & Vohs, 2007). Ego-Depletion kann zu einer Vielzahl unterschiedlicher schädlicher und impulsiver Aktionen führen, inklusive unehrlichem und risikoreichem Verhalten (z.B. Glücksspiel und übermäßiger Alkoholkonsum). Aus der gängigen Fachliteratur lässt sich also schließen, dass Manager ihre Arbeitnehmer vor übermäßigen oder unnötigen Anforderungen oder Ablenkungen schützen sollten um sicherzustellen, dass diese hochfokussiert und selbst kontrolliert arbeiten. Perfektionismus könnte beispielsweise schneller zu Ego-Depletion führen, ebenso wie ein lautes oder stark ablenkendes Arbeitsumfeld.
Neue Forschungsergebnisse: Glauben an Ego-Depletion führt zu Ego-Depletion
Eine zunehmende Anzahl Wissenschaftler steht Baumeisters Forschungsergebnissen skeptisch gegenüber. Schon in den früher 2000er Jahren wurden erste Forschungsarbeiten veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass Ego-Depletion nur für diejenigen existiert, die von der Limitierung ihrer Willensstärke ausgehen. In diesem Rahmen handelt es sich bei Ego-Depletion um eine selbsterfüllende Prophezeiung und nur diejenigen, die davon überzeugt sind, dass ihre Willensstärke erschöpft wird, erfahren eine nachlassende Willensstärke.
Job et al (2010) überprüften diese These indem sie zuerst die Willensstärke ihrer Versuchsteilnehmer maßen. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung teilten Job et al. die Versuchsteilnehmer in zwei Gruppen ein: diejenigen, die davon ausgehen, dass ihre Willensstärke beschränkt ist und mit der Zeit erschöpft ist und diejenigen, die glauben, dass ihre Willensstärke unbegrenzt ist. Den Teilnehmern wurde anschließend eine komplizierte und anspruchsvolle Schreibaufgabe gegeben – diese Aufgabe wurde erstellt, um die Willensstärke der Teilnehmer falls möglich zu erschöpfen. Nach dieser Aufgabe sollten die Teilnehmer ein Farb- und Wörterpuzzle durchführen, dass zur erfolgreichen Lösung Willensstärke benötigt.
Job et al (2010) stellten einen Zusammenhang zwischen dem Durchführen der ermüdenden Schreibaufgabe und einer verringerten Leistung beim Farbe- und Wörterpuzzle fest – jedoch nur bei Versuchsteilnehmern, die glaubten, dass Willenskraft erschöpflich ist. Versuchsteilnehmer, die davon überzeugt waren, dass Willenskraft unerschöpflich ist, wurden von der vorherigen Schreibaufgabe nicht erschöpft und haben weiterhin gut beim anschließenden Puzzle abgeschnitten. Diese Forschungsergebnisse wurden von Konze et al (2017) und weiteren Arbeitsgruppen bestätigt und ergänzt. Daher sind viele Psychologen nun der Meinung, dass Einzelpersonen extreme Levels an Selbstkontrolle und Willenskraft vorweisen können, solange sie davon überzeugt sind, dass ihre Willenskraft unerschöpflich ist
Welche Implikationen folgen aus den neueren Forschungsergebnissen?
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass Willensstärke nicht vollständig unbegrenzt ist – Menschen benötigen ausreichend Schlaf, Erholung und Pausen um einen Burnout zu vermeiden (Evans et al, 2016). Nichtsdestotrotz deuten die Forschungsergebnisse von Job et al (2010) und Konze et al (2017) darauf hin, dass es für Einzelpersonen vorteilhaft ist daran zu glauben, dass ihre Willenskraft unerschöpflich ist. Beachten sie diese wichtige Unterscheidung – als Manager sollten sie nicht darauf abzielen endlose Anforderungen an ihre Mitarbeiter zu stellen und sie stattdessen in ihrem Glauben an ihre eigene unerschöpfliche Willenskraft stärken.
Mit diesem Fachwissen ausgestattet können Manager die Überzeugung ihrer Mitarbeiter hinsichtlich Willensstärke und Ego-Depletion untersuchen (siehe Job et al, 2010 mit Umfragen zur Einschätzung der Ego-Depletion und Willensstärke). Abhängig davon wie ihre Mitarbeiter ihre eigene Arbeitsmoral und Entscheidungsfindung erörtern, können Sie sich einen Eindruck verschaffen, ob sie glauben, dass Willensstärke eine erschöpfliche oder unbegrenzte Ressource ist. Grundsätzlich ist es vorteilhaft Mitarbeiter zu finden, die davon überzeugt sind eine unerschöpfliche Willensstärke zu besitzen.
Außerdem können sie alle ihre Mitarbeiter dazu ermutigen Willensstärke als einen Muskel zu betrachten, der durch Übung und Training gestärkt werden kann (Vohs et al, 2012). Eine Entwicklung dieses „Muskels“ benötigt sowohl Belastung (z.B. durch neue Herausforderungen) als auch Entlastung. Das Erlernen neuer Fähigkeiten benötigt Phasen mit erträglicher Belastung gefolgt von Phasen der Regeneration. Wenn Mitarbeiter gestresst sind oder wenn ihnen der Glauben an ihre eigene Willensstärke fehlt sollten Sie möglichst ermutigend und motivierend auf sie einwirken und ihnen zeigen, dass Sie fest an den Erfolg ihrer Mitarbeiter glauben.
Referenzen
Baumeister, R. F.; Bratslavsky, E.; Muraven, M.; Tice, D. M. (1998). Ego depletion: Is the active self a limited resource? Journal of Personality and Social Psychology. 74 (5): 1252–1265. doi:10.1037/0022-3514.74.5.1252
Baumeister, R. F., & Vohs, K. D. (2007). Self‐Regulation, ego depletion, and motivation. Social and personality psychology compass, 1(1), 115-128.
Evans, D. R., Boggero, I. A., & Segerstrom, S. C. (2016). The nature of self-regulatory fatigue and “ego depletion” lessons from physical fatigue. Personality and Social Psychology Review, 20(4), 291-310
Konze, A. K., Rivkin, W., & Schmidt, K. H. (2017, January). Can Faith Move Mountains? Implicit Theories about Willpower as Moderator of the Ego-Depletion Effect. In Academy of Management Proceedings (Vol. 2017, No. 1, p. 13457). Academy of Management.
Job, V., Dweck, C. S., & Walton, G. M. (2010). Ego depletion—Is it all in your head? Implicit theories about willpower affect self-regulation. Psychological science, 21(11), 1686-1693.
Moller, A. C., Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2006). Choice and ego-depletion: The moderating role of autonomy. Personality and Social Psychology Bulletin, 32(8), 1024-1036.
Schwartz, B., & Ward, A. (2004). Doing better but feeling worse: The paradox of choice. Positive psychology in practice, 86-104.
Vohs, K. D., Baumeister, R. F., & Schmeichel, B. J. (2012). Motivation, personal beliefs, and limited resources all contribute to self-control. Journal of Experimental Social Psychology, 48(4), 943-947.
Tags: Burnout, Ego depletion, Überbelastung, Selbstkontrolle, Stress, WillensstärkeMeist empfohlen
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