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- Was wir von High-Reliability-Organisationen lernen können: Fünf evidenzbasierte Praktiken für Manager und Professionals
Contents
- Risiken, Probleme und Abweichungen, die zu spät erkannt werden können die Existenz einer Organisation gefährden
- 1. Fördere prosoziale Motivation
- 2. Stärke emotionale Ambivalenz
- 3. Schaffe eine psychologisch sichere Umgebung
- 4. Gestalte eine ausgeglichene Organisationskultur
- 5. Optimiere die Kommunikation
- HROs haben einen einzigartigen Ansatz zu lernen und zu innovieren entwickelt
Risiken, Probleme und Abweichungen, die zu spät erkannt werden können die Existenz einer Organisation gefährden
Wenn Manager Probleme zu spät erkennen, kann dies zu unvorhersehbaren Konsequenzen für eine Organisation führen. Im schlechtesten Fall steht die Existenz der Organisation auf dem Spiel (Foster und Kaplan 2008). Aktuelle Beispiele wie die Insolvenz von Lehmann Brothers, Kodak, der Untergang von Nokia (McCray et al. 2011) und BP’s Deepwater Horizon Umweltkatastrophe sowie der potentielle Austritt von Griechenland aus der EU und der VW Dieselskandal zeigen, dass solche Extremfälle häufiger vorkommen als man auf den ersten Blick erwarten würde.
Im Tagesgeschäft werden wir Manager erfreulicherweise jedoch meistens mit weniger kritischen Risiken, Abweichungen und Problemen konfrontiert, die jedoch ein Vorzeichen für weitere Schwierigkeiten am Horizont sein können. Die Grenze zwischen Budgetüberschreitungen, Qualitätsproblemen und Schwächen im Bereich der Arbeitssicherheit und einer vollumfänglichen Krise ist fließend. Die genannten Beispiele zeigen, dass kleine Abweichungen schnell Dynamik gewinnen können und zu Krisen führen. Wie lassen sich Schwierigkeiten am Horizont so früh wie möglich identifizieren, oder gänzlich verhindern? HROs haben effektive Mechanismen entwickelt, um diese Herausforderung zu meistern. Hier treffen sich die Ziele von HROs und anderen Organisationen: Excellence, "Null Arbeitsunfälle", Verlässlichkeit, Effizienz und eine Vielzahl weiterer positive Eigenschaften, die HROs auszeichnen. Was können wir von HROs lernen?
1. Fördere prosoziale Motivation
Das bekannt Motto "einer für alle und alle für einen" aus Alexandre Duman’s Roman “Die drei Musketiere” bringt die Eigenschaften prosozialer Menschen auf den Punkt. Prosoziale Menschen tendieren dazu Probleme für eine Organisation frühzeitig und ganzheitlich wahrzunehmen und anzusprechen. Sie stellen die Interessen für das große Ganze in den Vordergrund. Dies führt dazu, dass prosoziale Menschen es als Teil ihrer Verantwortung sehen wichtige Einflussfaktoren für ihre Teams und ihre Organisation höher zu priorisieren, als deren individuelle Interessen. Dieser Prozess wird "mindful organizing" bzw. "bewusstes organisieren" (Weick und Sutcliffe 2006) genannt und ist eine zentrale Eigenschaft von HROs. Durch diesen starken Fokus auf das Wohlergehen anderer (Vogus et al. 2014) leisten prosoziale Menschen einen wichtigen Beitrag zur positiven Entwicklung ihrer Organisation.
2. Stärke emotionale Ambivalenz
Kannst du dich an eine Situation erinnern in der du gleichzeitig Freude und Traurigkeit oder Hoffnung und Angst erlebt hast? Dieser Zustand wird in der Psychologie "emotionale Ambivalenz" genannt und hat einen positiven Einfluss auf die Qualität von Entscheidungen (Rees et al. 2013). Emotionale Ambivalenz ermöglicht es Menschen die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und Informationen ganzheitlich (deep information processing) zu verarbeiten. Auf den Punkt gebracht unterstützt emotionale Ambivalenz dabei Komfortzonen - positive sowohl als auch negative - zu vermeiden. Emotional ambivalente Menschen landen seltener in optimistischen oder pessimistischen Komfortzonen und kommen in Entscheidungsfindungsprozessen zu ausgewogeneren Ergebnissen (Vogus et al. 2014). Damit leistet emotionale Ambivalenz einen weiteren Beitrag zu "mindful organizing" bzw. "bewusstem organisieren" als zentrale Eigenschaft von HROs.
3. Schaffe eine psychologisch sichere Umgebung
Sprechen deine Teammitglieder Themen an, die aus deren Sicht relevant erscheinen? Findet in deiner Organisation ein reger Wissens- und Informationsaustausch statt? Werden Probleme und Fehler offen und konstruktiv diskutiert? Wenn du diese Fragen mit einem ehrlichen "ja" beantworten kannst hast du es wahrscheinlich geschafft in deiner Organisation ein psychologisch sicheres Arbeitsumfeld aufzubauen. Wenn sich Menschen in ihrer Arbeitsumgebung sicher füllen haben sie keine Angst Dinge anzusprechen, die andere Teammitglieder betreffen. Darüber ist psychologische Sicherheit einen positiven Einfluss auf den Austausch von Wissen und damit organisationales Lernen (Edmondson und Lei 2014). HROs legen großen Wert auf psychologische Sicherheit. Wie weit ist deine Organisation in diesem Bereich?
4. Gestalte eine ausgeglichene Organisationskultur
Eine Vielzahl von Studien belegen, dass Unternehmen mit einer maskulinen Organisationskultur dazu tendieren höhere Risiken einzugehen und "Fire-Fighting" einer langfristigen Problemlösung und -vermeidung vorzuziehen (Ely und Meyerson 2010). Wenn du als Manager eine Kultur nach dem Leitsatz "Helden werden im Feuer geboren" vorlebst, unterstützt du diese Art des Verhaltens durch deine Vorbildwirkung (Collinson und Hearn 1996). Verschärfend hinzukommt, dass maskuline Organisationskulturen meist in männerdominierten Industrien vorherrschen, die sich durch Tätigkeit mit einem höheren Risiko für Leib und Leben auszeichnen (Ely und Meyerson 2010). Welche Maßnahmen unterstützen eine ausgeglichene Organisationskultur? Ein Ansatzpunkt ist die Steigerung der Diversität in deiner Organisation. Trainingsmaßnahmen, welche die Schwachpunkte einer einseitigen Organisationskultur andressieren sind eine weitere Maßnahme, die du einfach umsetzen kannst.
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5. Optimiere die Kommunikation
Kommunikation ist der Klebstoff jeder Organisation. HROs haben einen einzigartigen Kommunikationsansatz entwickelt, um in ihrem komplexen, dynamischen und gefährlichen Umfeld erfolgreich bestehen zu können (Patterson et al. 2004). Dabei ist Kommunikation mehr als nur verbale Kommunikation zwischen Individuen. In diesem Zusammenhang umfasst der Begriff Kommunikation jegliche Art der Informationsübertragung, die durch Visualisierung, Gestik, elektronische Kommunikation und traditionellen face-to-face Kommunikation erreicht wird. HROs orientieren sich an den drei Prinzipien Reduzieren (reduce), Offenlegen (reveal) und Fokussieren (focus) (Patterson 2007).
Reduziere Komplexität. Das erste Prinzip "Reduzieren" bezieht sich auf Maßnahmen, um Komplexität durch Kommunikation zu reduzieren. Dies kann beispielsweise durch Maßnahmen zur Visualisierung erreicht werden. Bodenmarkierungen in Logistik- und Produktionsbereichen ermöglichen eine einfache und wirkungsvolle Unterscheidung von Lager- und Produktionsflächen. Damit wird es einfacher die unterschiedlichen Flächen zu identifizieren und anzusprechen. Darüber hinaus sinkt das Risiko für Arbeitsunfälle durch eine klare Trennung von Wertschöpfungs- und Logistikflächen. Agile Methoden wie SCRUM und Kanban nutzen das Prinzip Reduzieren mit dem Ziel komplexe Produkte in handhabbare Pakete zu zerlegen. Reduzieren darf jedoch nicht mit Vereinfachen gleichgesetzt werden. HROs wissen, dass der Teufel im Detail steckt. Übermäßiges vereinfachen steht dem entgegen und wird deshalb von HROs vermieden (Weick und Sutcliffe 2015).
Erhöhe die Transparenz. Eine hohe Transparenz ist eine weitere Eigenschaft von HROs. Das komplexe Umfeld von HROs erfordert, dass alle involvierten Personen in kürzester Zeit und ohne lange Diskussionen den aktuellen Status verstehen. Wenn es hier zu Verzögerungen durch lange Diskussionen kommt, könnte das bereits zu schwerwiegenden Konsequenzen führen (Bigley und Roberts 2001). Im Fokus von "Offenlegen" steht die Vermeidung von Aktivitäten und Handlungen, die nicht sichtbar sind und damit das Potential haben Personen zu überraschen (Patterson 2007). Eine hohe Transparenz hat darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die Motivation. Du kannst das Prinzip "Offenlegen" beispielsweise durch regelmäßige Briefings und die Nutzung von Infoboards umsetzen.
Richte den Fokus deiner Organisation regelmäßig neu aus. Das dritte Prinzip "Fokussieren" bezieht sich auf die Notwendigkeit zu priorisieren und den Fokus an die aktuelle Situation anzupassen. Dies hört sich auf den ersten Blick logisch und einfach an. Geht man jedoch davon aus, dass sich in einer komplexen Umgebung mit vielen unterschiedlichen Einflussgrößen Prioritäten schnell und unberechenbar verändern können, bekommt der Begriff Fokus eine neue Qualität. Dies trifft bei Waldbränden und schwierigen Wetterbedingungen genau zu wie bei einem kritischen Kundenfeedback, dass in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung auslöst. Ähnliche Effekte können Probleme in Softwaresystemen und komplexen Anlagen auslösen. HROs sind sensibel auf Operations, d.h. den Betrieb einer Organisation (Weick und Sutcliffe 2015). Sie reagieren besonders sensibel auf Informationen von Mitarbeitern, die an der Front, d.h. dem Vertrieb, der Produktion und anderen Operations-Bereichen oder Schnittstellen zur Umwelt arbeiten. Wann hast du das letzte Mal mit Kolleginnen und Kollegen aus der Produktion und dem Vertrieb gesprochen? Kennen deine Teammitglieder die wichtigsten drei Probleme in deinem Bereich?
HROs haben einen einzigartigen Ansatz zu lernen und zu innovieren entwickelt
HROs können es sich nicht leisten aus Fehlern zu lernen und Innovationen zu generieren. Das Risiko im Chaos zu enden ist einfach zu groß. Aus diesem Grund haben HROs einen einzigartigen Ansatz zu lernen und zu innovieren entwickelt. Obwohl wir als Manager besonders darauf achten eine sichere Umgebung zu schaffen in der Fehler gemacht werden können und sollen, gibt es Bereiche wo auch wir uns keine Fehler leisten können und von dem vorgestellten Ansatz von HROs profitieren können. Dies trifft besonders auf komplexe und anspruchsvolle Projekte zu. In diesem Blog Post haben wir euch fünf evidenzbasierte Praktiken vorgestellt, die es euch erlauben von HROs zu lernen.
Referenzen
Bierly, I. Paul E.I.I.; Gallagher, Scott; Spender, J. C. (2008): Innovation and Learning in High-Reliability Organizations. A Case Study of United States and Russian Nuclear Attack Submarines, 1970–2000. In: IEEE Trans. Eng. Manage. 55 (3), S. 393–408. DOI: 10.1109/TEM.2008.922643.
Bigley, G. A.; Roberts, K. H. (2001): THE INCIDENT COMMAND SYSTEM. HIGH-RELIABILITY ORGANIZING FOR COMPLEX AND VOLATILE TASK ENVIRONMENTS. In: Academy of Management Journal 44 (6), S. 1281–1299. DOI: 10.2307/3069401.
Collinson, David; Hearn, Jeff (1996): Men as Managers, Managers as Men. Critical Perspectives on Men, Masculinities and Managements. 1 Oliver's Yard, 55 City Road, London EC1Y 1SP United Kingdom: SAGE Publications Ltd.
Edmondson, Amy C.; Lei, Zhike (2014): Psychological Safety. The History, Renaissance, and Future of an Interpersonal Construct. In: Annu. Rev. Organ. Psychol. Organ. Behav. 1 (1), S. 23–43. DOI: 10.1146/annurev-orgpsych-031413-091305.
Ely, Robin J.; Meyerson, Debra E. (2010): An organizational approach to undoing gender. The unlikely case of offshore oil platforms. In: Research in Organizational Behavior 30, S. 3–34. DOI: 10.1016/j.riob.2010.09.002.
Foster, R. N.; Kaplan, S. (2008): Survival and Performance in the Era of Discontinuity. In: W. W. Burke, D. G. Lake und J. W. Paine (Hg.): Organization Change. A Comprehensive Reader: John Wiley & Sons (J-B Warren Bennis Series).
McCray, John P.; Gonzalez, Juan J.; Darling, John R. (2011): Crisis management in smart phones. The case of Nokia vs Apple. In: European Business Review 23 (3), S. 240–255. DOI: 10.1108/09555341111130236.
Patterson, Emily S. (2007): Communication strategies from high-reliability organizations. Translation is hard work. In: Annals of surgery 245 (2), S. 170–172. DOI: 10.1097/01.sla.0000253331.27897.fe.
Patterson, Emily S.; Roth, Emilie M.; Woods, David D.; Chow, Renée; Gomes, José Orlando (2004): Handoff strategies in settings with high consequences for failure. Lessons for health care operations. In: International journal for quality in health care : journal of the International Society for Quality in Health Care 16 (2), S. 125–132. DOI: 10.1093/intqhc/mzh026.
Rees, Laura; Rothman, Naomi B.; Lehavy, Reuven; Sanchez-Burks, Jeffrey (2013): The ambivalent mind can be a wise mind. Emotional ambivalence increases judgment accuracy. In: Journal of Experimental Social Psychology 49 (3), S. 360–367. DOI: 10.1016/j.jesp.2012.12.017.
Vogus, Timothy J.; Rothman, Naomi B.; Sutcliffe, Kathleen M.; Weick, Karl E. (2014): The affective foundations of high-reliability organizing. In: J. Organiz. Behav. 35 (4), S. 592–596. DOI: 10.1002/job.1922.
Weick, Karl E.; Sutcliffe, Kathleen M. (2006): Mindfulness and the Quality of Organizational Attention. In: Organization Science 17 (4), S. 514–524. DOI: 10.1287/orsc.1060.0196.
Weick, Karl E.; Sutcliffe, Kathleen M. (2015): Managing the Unexpected: Sustained Performance in a Complex World. Sustained Performance in a Complex World. 3rd Edition: Wiley.
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