- Blog
- Strategy as Practice. Was das neue Verständnis von Strategie als „Strategizing“ für die Praxis bedeutet
Contents
Spätestens seit dem Vormarsch der Quantenphysik gerät das bisher in den Naturwissenschaften dominierende Verständnis von objektiver Realität, die auf kausalen Ursache-Wirkungszusammenhängen basiert gehörig unter Druck. Dies geht soweit, dass Modelle, die als allgemeingültig akzeptiert waren in bestimmten Situationen auf einmal ihre Gültigkeit verlieren und von der „lokalen Realität“ sprichwörtlich überholt werden.
Kausale Ursache-Wirkungszusammenhänge verlieren auch in Wirtschaft und Politik an Relevanz
Interessanterweise lässt sich diese Entwicklung in ähnlicher Weise auf die Wirtschaft und Politik übertragen. Wer hätte sich beispielweise gedacht, dass das Geschäftsmodell von erfolgreichen Unternehmen von einem Tag auf den anderen nicht mehr funktioniert und durch völlig neue Mechanismen ersetzt wird?
Aktuelle Konflikte wie jene in Afghanistan oder in Syrien folgen dem gleichen Prinzip. Klassische (militärische) Ansätze, die sich im Sinne einer kausalen Ursache-Wirkungskette bisher immer bewährt haben, scheinen nicht mehr zu funktionieren. In allen diesen Fällen führt das unreflektierte Festhalten an bewährten (Planungs-)Modellen meist zu einer weiteren Verschlechterung der Situation, statt der Entwicklung nach Plan.
Management skills newsletter
Join our monthly newsletter to receive management tips, tricks and insights directly into your inbox!
SAP versteht Strategie als Prozess und Ergebnis verteilter und dynamischer Handlungen
Strategy as Practice (SAP) setzt genau an diesem Punkt an. Anstatt zu Fragen wie Strategie gemacht werden sollte taucht SAP in die Aktivität des „Strategizing“ ein. Anstatt vorzugeben, welche Schritte und Analysen notwendig sind, um eine Strategie zu entwickeln, betrachtet SAP den Diskurs, der Strategie entstehen lässt, verändert und umsetzt. SAP vollzieht sozusagen eine Wende (social shift) weg von Strategie als mechanisches Konstrukt zur Unternehmensplanung. Stattdessen wird Strategie als Ergebnis verteilter und dynamischer Handlungen verstanden. Was lässt sich daraus nun für die Praxis ableiten?
Strategie findet nicht (nur) im Top-Managements statt, sondern verteilt im gesamten Unternehmen
Aktuelle SAP Studien zeigen, dass Strategiearbeit ein im gesamten Unternehmen verteilter Prozess ist. Dabei spielen Workshops, Präsentationen, Besprechungen oder informelle Gespräche eine entscheidende Rolle. Die Herausforderung besteht darin, dieses „Strategizing“ zuzulassen und so zu strukturieren, dass Freiraum für Neues bleibt, aber gleichzeitig eine Bündelung der Kräfte erfolgt.
Strategie ist immer kontextabhängig und damit nie objektiv
Das traditionelle Strategieverständnis legt die Vermutung nahe, dass eine Strategie ein objektives Ergebnis eines rationalen Planungsprozesses ist. SAP sieht Strategie im Gegensatz dazu immer als Ergebnis eines durch Normen, Regeln und Rituale geprägten Interaktionsprozesses. Damit spiegelt Strategie immer auch die (subjektiven) Erwartungen aller Beteiligten wider. Das disruptive Entwicklungen nicht immer Teil dieser Erwartungen sind, ist naheliegend. Diese Entwicklungen trotz der Tendenz Bewährtes vor Neues zu stellen mit in die Strategie einzubeziehen, zeichnet gute Strategiearbeit aus.
Tools (Porter’s five forces, SWOT etc.) haben die Aufgabe zu moderieren, aber nicht zu dominieren
Werkzeuge zur Strategieentwicklung kommen meist mit Anleitungen und Hinweisen wann, wo und wie diese einzusetzen sind, um gute Erfolge zu erzielen. Die SAP Forschung zeigt, dass der Einsatz solcher Werkzeuge einer völlig anderen Logik folgt. Die Auswahl von Tools folgt weniger rationalen Überlegungen als der Tatsache, dass bestimmte Werkzeuge akzeptiert und im Unternehmen bekannt sind. Statt als „Rezept“ zur Strategieentwicklung werden diese als Strukturations- und Verhandlungsrahmen genutzt. Eine gute Nutzung solcher Werkzeuge in der praktischen Strategiearbeit zeichnet sich durch Flexibilität und den Mut etwas Neues zu probieren aus.
Strategy as Practice wurde 1996 von Richard Whittington (Saïd Business School, University of Oxford) erstmals vorgeschlagen. Eine Vielzahl von Publikationen sowie eine eigene Community unterstreichen die Relevanz von SAP als eigenständigen Ansatz im Bereich des strategischen Managements.
Referenzen:
Nature Artikel „Quantum physics: What is really real?”
http://www.nature.com/news/quantum-physics-what-is-really-real-1.17585
Jarzabkowski, P. and Kaplan S., 2014. Strategy Tools-In-Use: A Framework for Understanding “Technologies of Rationality” in Practice. Strategic Management Journal, 36 (4), 537-558.
Kaplan, S., 2011. Strategy and PowerPoint: An Inquiry into the Epistemic Culture and Machinery of Strategy Making. Organization Science, 22 (2), 320-346
Vaara, E. and Whittington, R., 2012. Strategy-as-Practice: Taking Social Practices Seriously. Academy of Management, 6 (1), 285-336.
Whittington, R., 1996. Strategy as Practice. Long Range Planning, 29 (5), 731-735
Whittington, R., 2006. Completing the Practice Turn in Strategy Research. Organizational Studies, 27(5). 613-634.
Strategy as Practice International Network:
http://www.s-as-p.org/
Tags: Veränderungsmanagement, Teamdynamik, Zusammenarbeit, Moderation und Strukturation
Meist empfohlen
Über den Autor
Comments
Meist gelesen
Blog Themen
Teams für dich passend zu diesem Blog
Kommentar hinzufügen