- Blog
- Die Sozialwissenschaften stecken in einer Impact-Krise: Überlegungen und Lösungsansätze, um diese zu überwinden.
Contents
Die Sozialwissenschaften haben im Bereich sinnvoller wissenschaftlicher Arbeiten mit Praxisbezug einen eher zweifelhaften Ruf. Nichtdestotrotz wird heutzutage in den Sozialwissenschaften an einer Fülle von nützlichen Themen geforscht. Wissenschaftler im Bereich der Sozialpsychologie, der Verhaltensökonomie, der Soziologie und dem Management können Berufstätigen empirisch gestützten Empfehlungen und Vorhersagen bereitstellen. Außerdem können produktive Wissenschaftler den Wert und die Reichweite ihrer Arbeit durch das weitergeben ihrer Erkenntnisse an reale Arbeitsumgebungen mit realen Mitarbeitern vergrößern.
Die Anfänge der Impact-Krise: Der Drang nach einfachen Modellen aus kontrollierten Studien
In der Wissenschaft existiert eine tief verwurzelte Präferenz für Grundlagenforschung. Grundlagenforschung ist häufig hoch theoretisch und wird normalerweise in einer kontrollierten Laborumgebung durchgeführt (Rosenberg, 2010). Da Grundlagenforschung so stark kontrolliert ist können eindeutige Aussagen über Ursache und Wirkung gemacht werden und das menschliche Verhalten in einer vereinfachenden Weise erklärt werden. Diese Arbeiten werden innerhalb der wissenschaftlichen Community als „reiner“ und gründlicher angesehen als Arbeiten, die in einer realen Umgebung wie z.B. einem Büro, einer Industrieanlage, oder einer Schule durchgeführt wurden.
Während die Grundlagenforschung vereinfachte Erklärungen des menschlichen Verhaltens liefern kann ist die Realität meist alles andere als einfach. Eine experimentelle Behandlung, die einen Effekt in einem kontrollierten Labor hat, könnte möglicherweise keinen so großen Effekt in einem lauten Büro mit mehreren Mitarbeitern haben (Bornstein, 1999). Die Antworten, die eine Versuchsperson in einer anonymen Umfrage gibt weichen möglicherweise von dem Verhalten am Arbeitsplatz ab (Bornstein, 1999). Daher stimmen die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung nicht immer mit Beobachtungen in der realen Welt überein.
Dieses Phänomen hat eine Spaltung zwischen Wissenschaftlern, die behaupten an Dingen wie menschlicher Motivation, Entscheidungsfindung, und Kompetenzentwicklung interessiert zu sein, und den Manager und Fachkräften denen sie dienen wollen zur Folge (Bornman, 2013). Dies hat auch zur Ausbildung von tausenden Akademikern geführt, die in der akademischen Wissenschaft zwar sehr bewandert sind, aber nicht wissen, wie man Arbeiten in einem angewandten Umfeld durchführt. Daher schadet diese Impact-Krise sowohl den Forschern als auch den Managern und Teamleitern, die von relevanter und nützlicher Forschung im Bereich der Humanpsychologie profitieren würden.
Management skills newsletter
Join our monthly newsletter to receive management tips, tricks and insights directly into your inbox!
Wieso die Sozialwissenschaften dennoch wichtig sind
Während ein Großteil der Impact-Krise hoffnungslos erscheint, gibt es einige Kollaborationen und Forschungsprojekte die vielversprechend klingen. Eines der größten und am schnellsten wachsenden Teilfelder der Sozialpsychologie ist zum Beispiel die betriebliche Organisationspsychologie. Doktoranden im Bereich der Sozialpsychologie arbeiten routinemäßig mit Fachbereichen der Betriebswirtschaft, Kommunikation und des Managements zusammen und forschen an empirisch fundierten Projekten mit realem Anwendungsbezug. Die sozialwissenschaftlichen Veröffentlichungen mit dem größten „Impact“ waren in den letzten Jahren sowohl in der akademischen Literatur als auch in den öffentlichen Medien vor allem Arbeiten, die sich mit sozialen Problemen auseinandersetzen und untersuchen, wie man Arbeitsplätze produktiver, kreativer und harmonischer gestalten kann.
Außerdem versprechen einige Statistiken eine aussichtsreiche Zukunft für die Sozialwissenschaften und für Experten, die von den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften profitieren können. Da die Anzahl der Promovierenden in den Sozialwissenschaften ansteigt aber gleichzeitig die Anzahl der unbefristet angestellten Sozialwissenschaftlern sinkt, suchen mehr und mehr Forscher aktiv nach Arbeitsstellen in großen Unternehmen, NGOs, Schulen und bei staatlichen Organisationen (Macera & Cohen, 2006). Die unterschiedlichen Arbeitsstellen sorgen für Vielfältigkeit und kurbeln so Innovationen und Projekte an, die ideale Arbeitsumgebungen schaffen und so Arbeitnehmer zu Höchstleistungen inspirieren können. Die Nachfrage nach praxisbezogener Forschung befindet sich aus diesem Grund derzeit auf einem Höchststand.
Die meisten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte zielen darauf ab die Grundprinzipien der menschlichen Emotionen und des menschlichen Verhaltens und Denkens zu verstehen. Während ein Teil der in Laboren durchgeführten Experimente oft keine nützlichen Erkenntnisse in diesem Bereich liefern können, können die meisten sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse tatsächlich in gewisser Form in der Praxis angewendet werden. Eine wachsende Zahl junger und stärker nach außen orientierter Akademiker ist derzeit daran interessiert längst bekanntes psychologisches Wissen direkt in Situationen am Arbeitsplatz einzusetzen. Hierbei werden sie von mehr und mehr Managern unterstützt, die mehr darüber erfahren wollen wie die Forschung der Sozialwissenschaften durchgeführt wird und wie ihre Erkenntnisse eingesetzt werden können um die Unternehmenseffektivität zu steigern. In Teamarbeit können diese beiden Gruppen die mögliche Reichweite von Forschungsarbeiten gemeinsam ermitteln, die in der Vergangenheit noch nicht effektiv eingesetzt worden sind.
Maximierung des praxisbezogenen Impacts von sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten
Wenn Manager zu kompetenten Lesern wissenschaftlicher Literatur werden, können sie die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften in ihrer eigenen Entscheidungsfindung berücksichtigen. Während das Lesen wissenschaftlicher Artikel über neue Theorien und Statistiken einschüchternd sein kann, gibt es eine Fülle von sozialwissenschaftlichem Wissen in praxisnahen und leicht zugänglichen Artikeln, die speziell für diese Business-Zielgruppe geschrieben wurden. Webseiten wie CQ Net sind darauf spezialisiert das wichtigste Wissen aus mehreren Jahren sozialwissenschaftlicher Forschung herauszukristallisieren und in nützliche Empfehlungen zu übersetzen, die empirisch gestützt und zugleich leicht verständlich sind. Diese Bewegung, die sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf wissenschaftliche Nachweise anstelle von Meinungen verlässt, nennt sich Evidenzbasiertes Management (EBM).
Auf der anderen Seite können Sozialwissenschaftler die „Impact-Krise“ bekämpfen, indem sie Forschungsarbeiten außerhalb des Labors durchführen (Bergman & Jean, 2016). Durch die Kombination von Beobachtungen am Arbeitsplatz und breit angelegten Stichprobeumfragen und Programmevaluierungen können heutige Forscher nützliche Daten darüber sammeln, wie Arbeitnehmer unter realen Bedingungen Denken, fühlen und sich verhalten; Schlussfolgerungen können anschließend in Hinblick auf drängende soziale Probleme anstelle von abstrakten, theoretischen Fragestellungen gezogen werden.
Außerdem können Forscher den „Impact“ ihrer Arbeit vergrößern indem sie ihre Ergebnisse in einer Sprache zusammenfassen, die auch ohne einen Doktortitel im jeweiligen Fachgebiet verstanden werden kann. Effektive wissenschaftliche Arbeiten sollten mit nützlichen Stichpunkten und in einer leicht zugänglichen Sprache breit kommuniziert werden. Wenn Forschung klar und nützlich vermittelt wird, kann sie viel mehr Interessensvertreter erreichen und so Geschäftsleuten und Wissenschaftlern gleichermaßen helfen.
Referenzen
Bergman, M. E., & Jean, V. A. (2016). Where have all the “workers” gone? A critical analysis of the unrepresentativeness of our samples relative to the labor market in the industrial–organizational psychology literature. Industrial and Organizational Psychology, 9(1), 84-113.
Bornmann, L. (2013). What is societal impact of research and how can it be assessed? A literature survey. Journal of the Association for Information Science and Technology, 64(2), 217-233.
Bornstein, B. H. (1999). The ecological validity of jury simulations: Is the jury still out?. Law and human Behavior, 23(1), 75.
Macera, M. H., & Cohen, S. H. (2006). Psychology as a profession: An effective career exploration and orientation course for undergraduate psychology majors. The Career Development Quarterly, 54(4), 367-371.
Orne, M. T. (1962). On the social psychology of the psychological experiment: With particular reference to demand characteristics and their implications. American psychologist, 17(11), 776.
Rosenberg, N. (2010). Why do firms do basic research (with their own money)?. In Studies On Science And The Innovation Process: Selected Works of Nathan Rosenberg (pp. 225-234).
Tags: Kritisches Denken, Evidenzbasiertes Management, Impact crisis, Psychologie, Sozialwissenschaften
Meist empfohlen
Über den Autor
Comments
Meist gelesen
Blog Themen
Teams für dich passend zu diesem Blog
Kommentar hinzufügen